Monitoring
Grundlagen und Herausforderungen des Monitorings rechter Gewalt
Das unabhängige Monitoring zählt zu den Kernaufgaben der auf rechte Gewalt spezialisierten Beratungsstellen und basiert auf den im Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) gemeinsam entwickelten Qualitätsstandards und Erfassungskriterien. Die Kriterien orientieren sich an dem bundeseinheitlichen polizeilichen Definitionssystem der „politisch motivierten Kriminalität rechts“ (PMK-rechts).
Was wird erfasst und wie?
Erfasst werden folgende Tatmotive: Rassismus, darunter anti-muslimischer und anti-Schwarzer Rassismus, sowie Rassismus gegenüber Sinti*zze und Rom*nja (oder Gadjé-Rassismus) und gegen Geflüchtete, Antisemitismus, LSBTIQA+-feindliche Gewalt (gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter- und Asexuelle und Queere Menschen), Sozialdarwinismus und Ableismus (gegen Menschen mit Beeinträchtigungen), Gewalt gegen Nicht-Rechte oder sogenannte „Alternative“, sowie Gewalt gegen politische Gegner*innen, darunter auch Journalist*innen und politische Verantwortungsträger*innen.
Hinweise auf ein politisch rechtes Motiv ergeben sich durch den Tatkontext, die Art und Weise des Tatverlaufs, Äußerungen der Täter*innen, szenetypische Kleidung oder die Organisierung in extrem rechten Gruppen.
Ergänzung zur Statistik PMK-rechts
Differenzen zwischen den Zahlen der Ermittlungsbehörden in der PMK-rechts und den Beratungsstellen ergeben sich unter anderem aus unterschiedlichen Bewertungen und Einschätzungen der Tathintergründe. Wir berücksichtigen dabei insbesondere die Sicht der Betroffenen und geben dieser eine besondere Gewichtung. Nach sorgfältiger Prüfung der Tatmotivation nehmen sie auch Fälle auf, die nicht zur Anzeige gebracht wurden. Im Gegensatz zur PMK-rechts erfassen sie außerdem in entsprechenden Fällen auch massive Bedrohungen und Nötigungen, sofern diese erheblichen Folgen für die Betroffenen haben. Widerstandsdelikte gegen die Polizei werden dagegen nicht erfasst.
Die erhobenen Daten basieren auf Antworten zu parlamentarischen Anfragen, Pressemitteilungen der Polizei und Medienberichten sowie Angaben von direkt und indirekt Betroffenen, Angehörigen, Zeug*innen und Kooperationspartner*innen. Eine Aufnahme in die statistische Auswertung erfolgt nur, wenn ausreichend Informationen vorliegen, um den Fall eindeutig zu verifizieren.
Welche Herausforderungen gibt es?
Wie in den vergangenen Jahren stellen die parlamentarischen Anfragen ein unverzichtbares Instrument im Rahmen des Monitorings dar. Wegen fehlender Angaben unter anderem zum spezifischen Straftatbestand (einfache, gefährliche bzw. schwere Körperverletzung) war es aber leider in vielen Fällen auch dann nicht möglich, verifizierte Aussagen über die einzelnen Körperverletzungsdelikte zu treffen.
Auch Angaben zum Angriffsort, Geschlecht oder zur genauen Anzahl der jeweils angegriffenen Menschen waren unvollständig. In einigen Fällen, wie zum Beispiel bei Bombendrohungen gegen Moscheegemeinden oder Angriffen auf Wohnunterkünfte für Geflüchtete, wurde daher jeweils nur eine betroffene Person gezählt.
Eine weitere Herausforderung für die Erstellung des Monitorings liegt in der unbefriedigenden Weiterleitung der Informationen von Ermittlungsbehörden an die Beratungsstellen. Von zahlreichen Fällen erfahren wir ausschließlich durch die parlamentarischen Anfragen. Die entsprechenden Antworten zur PMK-rechts gelten aber als vorläufig, weshalb unklar bleibt, warum viele eindeutige und angezeigte rechte Gewalttaten nicht in der offiziellen Statistik berücksichtigt wurden. Aufgrund der fehlenden Transparenz bleibt zudem offen, welche Gewalttaten nachträglich in die offizielle Statistik aufgenommen werden.
Das Ausmaß rechter Gewalt in NRW bleibt aus unserer Sicht trotz der intensiven Nachrecherchen und des unabhängigen Monitorings immer noch weitgehend im Dunkeln und zeigt allenfalls die Spitze des Eisberges. Deshalb begrüßen OBR und BackUp ausdrücklich die Planungen des Landes NRW so schnell wie möglich unabhängige Meldestellen für Betroffene rassistischer und antisemitischer Gewalt zu realisieren, die das Dunkelfeld weiter erhellen. Wichtig erscheint uns in diesem Kontext auch, dass die Ermittlungsbehörden mit einer größeren Transparenz dieses Vorhaben unterstützen.
Rassistische Polizeigewalt
Im Zuge der weltweiten Black-Lives-Matter-Proteste nach dem Tod des Schwarzen US-Amerikaners George Floyd durch einen weißen Polizisten wurden auch in Deutschland mehr Fälle mutmaßlich rassistischer Polizeigewalt öffentlich thematisiert.
Aus der Praxis ist den Beratungsstellen bekannt, dass Betroffene in diesen Fällen aus vielfältigen Gründen oft keine Anzeige stellen wollen. Eine große Rolle spielt die Erfahrung vieler Betroffener, dass rassistischer Gewalt nicht ernst genug nachgegangen und diskriminierendes Verhalten seitens der Polizei durch andere Instanzen nicht gut genug geprüft oder sanktioniert wird. Wir möchten an dieser Stelle auch auf die Ergebnisse im zweiten Zwischenbericht des Forschungsprojekts „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen“ der Ruhr-Universität Bochum hinweisen.
Um hier fehlendes Vertrauen aufzubauen, sind aus unserer Sicht Dialogbereitschaft und Veränderungswille seitens der Strafverfolgungs- und Justizbehörden vonnöten – insbesondere vor dem Hintergrund der zahlreichen bekannt gewordenen Fälle von rechtextremen Chatgruppen und Netzwerken innerhalb der Polizei bundesweit – auch in NRW.