Das Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus in NRW zieht eine besorgniserregende Jahresbilanz 2025. Im Rahmen einer Pressekonferenz am 09.12.2025 in Düsseldorf stellt das Netzwerk aktuelle Entwicklungen, zentrale Herausforderungen und dringenden politischen Handlungsbedarf vor.
Das Beratungsnetzwerk setzt sich aus den Teams der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in NRW, den Opfer- und Betroffenenberatungen OBR und BackUp sowie der Ausstiegs- und Distanzierungsberatung NinA NRW zusammen.
Drei alarmierende Entwicklungen im Jahr 2025
Die Auswertung der Beratungsarbeit zeigt drei zentrale Trends für das Jahr 2025, die die gesellschaftliche Lage in Nordrhein-Westfalen nachhaltig prägen:
1. Normalisierung von Rechtsextremismus in der Mitte der Gesellschaft
Extrem rechte, rassistische und antisemitische wie auch queerfeindliche Haltungen sind zunehmend gesellschaftlich anschlussfähig. Besonders sichtbar wird dies auch durch die flächendeckende kommunalpolitische Verankerung der AfD in NRW nach den Kommunalwahlen 2025. Diese Entwicklung hat erhebliche Auswirkungen auf das gesellschaftliche Klima und das Sicherheitsgefühl vieler Menschen.
2. Erstarkung rechter Strukturen und gezielte Radikalisierung junger Menschen
Rechte Gruppierungen und Einzelpersonen treten 2025 mit deutlich gesteigertem Selbstbewusstsein auf. Gleichzeitig beobachten die Beratungsstellen eine gezielte Ansprache und Radikalisierung von Jugendlichen. Die wachsende Gewaltbereitschaft und die Verjüngung der Täter*innen spiegeln eine gefährliche gesellschaftliche Verschiebung wider.
3. Steigende Anfragen und Intensivierung der Gewalt
Die Beratungsstellen verzeichnen ist den letzten Jahren einen quantitativen Anstieg der Anfragen sowie eine qualitative Verschärfung der Fälle. Bedrohungen werden expliziter, Übergriffe gewalttätiger und digitale Attacken zunehmend koordiniert – auch im Kontext des Wahlkampfs.
Die Folge: Immer mehr Menschen benötigen schnelle und langfristige professionelle Unterstützung. Die Beratungsstellen stehen damit vor der Herausforderung, schneller zu reagieren, häufiger vor Ort zu sein und verstärkt Sicherheitsaspekte in ihre Arbeit einzubeziehen.
Was das für Beratungsnehmende bedeutet
1. Zunehmende Verunsicherung im Alltag
Betroffene berichten, dass sie sich weniger geschützt fühlen und häufiger selbst Strategien entwickeln müssen, um sich vor Anfeindungen und Gewalt zu schützen. Engagierte Fachkräfte und Organisationen sowie Angehörige von extrem rechten Personen fühlen sich oft überfordert und im Alltag allein gelassen.
2. Höhere Belastung durch komplexe Problemlagen
Betroffene rechter Gewalt stehen oft nicht nur einer akuten Tat gegenüber, sondern fortgesetzten Bedrohungen – analog wie digital. Auch engagierte Fachkräfte und Vereine sind häufig mit schwierigen Fällen und persönlicher Belastung konfrontiert. Ebenso haben Menschen, die sich aus extrem rechten Strukturen zurückziehen möchten, mit vielfältigen Problemlagen zu tun.
3. Erschwerter Zugang zu dringend benötigter Unterstützung
Alle Beratungsnehmenden eint: Steigende Anfragen und komplexere Fallkonstellationen führen zu längeren Wartezeiten und Verzögerungen – mit unmittelbaren Folgen für ihre Sicherheit, Stabilisierung und Rechte.
Dringender Bedarf einer substanziellen Aufstockung der Förderung
Um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden, benötigen die Beratungsstellen eine deutliche Erhöhung und langfristige Absicherung der finanziellen Mittel. Sie begrüßen das „Gesetz zur Stärkung der Unabhängigkeit und Überparteilichkeit der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen“ und die deutlich bekundete Absicht aller demokratischen Fraktionen des Landtags, die Arbeit des Beratungsnetzwerks gegen Rechtsextremismus im Jahr 2026 abzusichern. Jedoch braucht es über die Sicherung des Status Quo hinaus eine dauerhafte, dynamisierte und verlässliche Förderung der Beratungsstellen. Nur so können sie auf die kontinuierlich steigenden Bedarfe zeitnah und professionell reagieren. Zudem ist eine umfassende Stärkung der zivilgesellschaftlichen Demokratiearbeit unerlässlich, um den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen wirksam entgegenzutreten.
Kontakte
Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus NRW
Ausstiegs- und Distanzierungsberatung NinA NRW
Opferberatung Rheinland (OBR)
presse@opferberatung-rheinland.de
Stimmen aus dem Beratungsnetzwerk
gegen Rechtsextremismus in NRW
Der Beratungsbedarf von Menschen, die sich für Demokratie einsetzen, die aufgrund ihrer Herkunft, Religion, sexuellen oder geschlechtlichen Identität angegriffen werden oder sich von extrem rechten Strukturen lösen wollen, nimmt spürbar zu. Unsere Arbeit ist unverzichtbar – sie darf nicht an fehlenden Ressourcen scheitern. Um Ratsuchende weiterhin verlässlich zu unterstützen und zu stärken fordern wir die Landesregierung NRW eindringlich auf, die bestehenden Beratungsstrukturen dauerhaft abzusichern und auszubauen. Demokratie braucht Schutz – jetzt mehr denn je!“, so die gemeinsame Einschätzung des Beratungsnetzwerks gegen Rechtsextremismus in NRW.
Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus NRW
Ronja Heukelbach, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus NRW
„Was wir 2025 erleben, ist eine gefährliche Normalisierung von rechten und menschenfeindlichen Positionen – längst nicht mehr nur am Rand, sondern mitten in der Gesellschaft. Die Wahlerfolge der AfD auf kommunaler Ebene in NRW verschieben Diskurse und schaffen ein Klima, in dem sich rechte Akteure bestärkt fühlen. Das hat direkte Auswirkungen auf Schulen, Initiativen, Verwaltungen und Nachbarschaften. Unsere Beratungsarbeit wird immer häufiger benötigt – doch mit den aktuellen Ressourcen stoßen wir an klare Grenzen.“
Ronja Heukelbach, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus NRW:
„Rechte Positionen sind 2025 stärker denn je in der gesellschaftlichen Mitte angekommen. Das spüren wir täglich in Schulen, Kommunen und Vereinen – und in einem stark wachsenden Beratungsbedarf.“
Ausstiegs- und Distanzierungsberatung NinA NRW
Jonas Stapper, Ausstiegs- und Distanzierungsberatung NinA NRW
„Wir sehen eine deutlich erhöhte Aktivität und gestiegenes Selbstbewusstsein von extrem rechten Gruppierungen und Einzelpersonen sowie die gezielte Radikalisierung junger Menschen. Viele derjenigen, die heute zu uns kommen zeigen eine starke Ideologisierung und berichten von wenig Gegenreaktion in ihrem Alltag. Das ist erschreckend – und zugleich ein deutliches Warnsignal für die Gesellschaft. Distanzierungs- und Ausstiegsarbeit braucht Zeit, Vertrauen und intensive Begleitung. Ohne verlässliche Finanzierung gefährden wir die Chance, diese Menschen nachhaltig aus extrem rechten Strukturen zu lösen.“
Jonas Stapper, Ausstiegs- und Distanzierungsberatung NinA NRW
„Rechtsextreme Strukturen treten wieder selbstbewusster auf und sprechen gezielt Jugendliche an. Ausstiegsarbeit ist daher wichtiger denn je, braucht aber verlässliche Ressourcen.“
Opfer- und Betroffenenberatungsstellen in NRW
Fabian Reeker, Opferberatung Rheinland (OBR)
„Wir erleben tagtäglich, wie sich rechte, rassistische, antisemitische, queerfeindliche und andere menschenfeindliche Gewalt weiter zuspitzt. Immer mehr Betroffene suchen nach teils schweren Gewalterfahrungen aktiv die Unterstützung der Beratungsstellen und berichten dabei von einer zunehmenden Enthemmung der Gewalt. Viele sind zutiefst verunsichert, manche haben Angst, überhaupt noch am öffentlichen Leben teilzunehmen. Die steigenden Zahlen der Anfragen bei den Beratungsstellen zeigen, wie dramatisch die Lage ist. Ohne eine dauerhafte und verlässliche Finanzierung können wir diesen Menschen nicht mehr in dem Umfang zur Seite stehen, wie es dringend nötig wäre.“
Fabian Reeker, Opferberatung Rheinland (OBR)
„Wir erleben eine deutliche Zunahme der Beratungsbedarfe bei Betroffenen rechter Gewalt – auch aufgrund einer zunehmenden Enthemmung der Gewalt. Der Anstieg der Beratungsanfragen zeigt, wie dringend Betroffene Unterstützung brauchen.“









